Kapitel 1
von shs
Erster September 2012
Meine Befürchtungen in der letzten Augustwoche haben sich nicht bestätigt. Aber das Treiben meines Frauchens ließ mich schlimmeres ahnen, denn es hört sich öfters so an, dass sie mich wieder mal für längere Zeit verlassen wollte. Da wurden zahlreiche Telefonate geführt mit Absprachen über die Zubereitung einiger Menüs, Kühltaschen, Kannen, Schüsseln und Getränke wurden bereit gestellt, um all das zu transportieren, damit die Menschen sich die Zeit genüsslich vertreiben können.
Beunruhigt hörte ich auch abermals die Bestätigung der Abfahrtszeiten, obwohl es inzwischen eine Krankmeldung zweier Menschen gab, die Durchführung der Aktion wurde nicht abgeblasen. Mein Frauchen köchelte, brutzelte und rührte am an diesem Abend in einigen Pfannen und Töpfen aber immerhin, ich bekam ausgezeichneten Fisch zum Abendbrot und das wirkte sich doch tröstlich auf meinen Gemütszustand aus. Ich beruhigte mich einigermaßen und kontrollierte nur noch kurz die Picknickkörbe und Warmhalteschüsseln auf Vollständigkeit. Am nächsten Vormittag trafen wie erwartet vier gut gelaunte Menschen ein, sie kamen mir schon irgendwie bekannt vor. Nach Umarmungen und Begrüßungsküsschen wurde jede Menge Gepäck in ein komisch hellgelbes Auto mit diesem lustigen Taxischild auf dem Dach verladen und schon waren alle verschwunden. Allerdings wunderte ich mich doch sehr über den eigenartigen Geruch, den das Taxi samt Mensch verströmte, aber ich sollte mich eben nicht in alles einmischen was die Menschen betrifft.
Die Wohnung war verschlossen, aber dank des guten Wetters zog ich mich erst mal zu meinem 10 Uhr Schläfchen zurück.
Dann folgte das -Abwarten-
Jedenfalls am späten Nachmittag entspannte sich meine Lage jedoch, denn alle kehrten vergnügt in meine Wohnung zurück. Die Herren eroberten die Sitzmöglichkeiten im Garten, die Frauen standen wie selbstverständlich in der Küche und beschäftigten sich mit dem Abwasch.
Ich beschloss den Schwärmereien der Menschen über den vierstündigen Ausflugs, in den wunderschönen Spreewald, zu lauschen.
Nach der rasanten Taxifahrt bestiegen alle mit bleichen Gesichtern den angemieteten Kahn mit einem sehr netten Kahnfährmann. Sofort wurden alle Taschen und Körbe geöffnet und die Tische reichten kaum aus für die mitgebrachten Gerichte. Kaffee machte mehrmals die Runde, dazu die herzhaften Schnitzel, Schmalzstullen mit Gurken, Tomatensalat, Eier, Salami-und Ziegenkäsebrote. Zum Dessert gab es ein Organgen-Tiramisu und eine Weinschaumcreme mit Himbeeren. Zur Verdauung danach Kräuter-oder Kirschlikör, ein Bierchen oder um Abschluss eventuell ein Stück Pfannenkuchen. Entzückt genossen alle die Ruhe und das Blinzeln der Sonne durch die Erlenbäume. Wunderschöne Sommer-und Herbstblumen säumten die Ufer, und alte Spreewaldhäuser, oft schon verfallen, blaue Fensterläden und morsche Reetdächer verzückten die Menschen. Bei diesen Beobachtungen fanden die Damen selbst das Unkraut noch interessant, aber verstehe einer die Menschen. Der Kahnfährmann hielt sich diskret zurück, beantwortete alle anstehenden Fragen und wurde natürlich auch beköstigt. Da hätte ich auch gern etwas abbekommen. Auf den weit verzweigten Fließen ist man nie allein, aber wenn dann ein Kahn vorbei kommt, auf dem der „alte Fritz“ sitzt begleitet von seinen Komparsen und dann noch Blockflötenmusik ertönt, ist das nicht alltäglich. Vielleicht doch alles extra bestellt? Viele Paddler vergnügten sich ebenfalls auf dem Wasser und manche versuchten krampfhaft den Kurs zu halten. Ich glaube die wollten den Kahn, wegen der vielen Köstlichkeiten entern. Ruhe und Unterhaltung wechselten sich ab, der Hunger kam und ging, denn längst waren die Schüsseln noch nicht leer, auch ein Prösterchen auf die krank daheim gebliebenen wurde mehrmals wiederholt. Selbst mein Frauchen kam durch Gegenenden, die sie noch nicht kannte, und einmal mehr bestätigte sie die richtige Entscheidung, in den so abwechslungsreichen Spreewald gezogen zu sein. Denn für mein Frauchen sind die endlosen und ewig grünen Wiesen das größte, dazu die Fließe, wenn man es möchte die Ruhe und die Landschaft überhaupt. Sie erzählte von im Frühling und Sommer ständig in blau/rot, oder mal weiß/gelb blühenden Wiesen. In Fachkreisen werden diese als Blütenreiche Magerwiesen, oft unter Streuobstbeständen, bezeichnet. Zu diesem interessanten Biosphärenreservat dann aber später mehr. Die zahllosen Radwege lassen täglich neue Eindrücke entstehen und auf dem flachen Gelände ist das Radeln problemlos, eben ein Genuss.
Zurück aber zu diesem sonnigen Nachmittag. Es bot sich ja förmlich an nach den geruhsamen Stunden sich körperlich zu ertüchtigen. Ich indessen wartete erst mal geduldig ab. Beflügelt von den beschaulichen Eindrücken durfte nun doch eine Radtour nicht fehlen. Ein fünfzig-jähriger junggebliebener musste zwar überredet werden an dieser teilzunehmen, alle anderen Menschen waren natürlich dafür. Nachbarn hatten Fahrräder gesponsert und alle bereiteten sich per Probefahrt auf eine kleine Tour vor. Mein Frauchen war Feuer und Flamme. In dieser Runde zu radeln, wo sie sonst einsam und allein die Radwege passiert. Der Hausherr war allerdings ziemlich erschöpft und wollte wie erwartet sein Mittags-Nickerchen nachholen. Die Menschen radelten also los, ich gesellte mich zu meinem Hausherrn, der auf der Couch ausruhte und so konnte auch ich erst mal durchatmen.
Damit war der Tag noch nicht zu Ende.
Die Radlertruppe fuhr am Leineweberfließ entlang, hievte die Fahrräder über die erste Brücke und schon war der erste Kettenschaden da. Aber mit Ruhe und Bedacht wurde das schnell repariert und weiter ging es über die Kolonie ins Dorf. Die Radwege sind derart schön und ausgedehnt. Eine Rast am Wahrzeichen, dem 33 Meter hohen Bismarckturm, erbaut in den Jahren 1915-17, war von Nöten. Hier finden z.B. die Sagennacht, oder die Nächte der Kürbisgeister statt. Man stärkte sich mit Radler oder einem Eisbecher. Weiter ging’s zur gegenüber liegenden Weidenburg, in der oft romantische Live-Konzerte stattfinden. Es wurde langsam Abend und so beschlossen alle die Heimfahrt anzutreten.
Es wurde abermals der Tisch gedeckt mit den Raritäten des Picknick-Menüs, auch der Topf grüne Bohnen, aus frischer Ernte fand seinen Abnehmer, dazu ein gutes Tröpfchen und alle Menschen ließen es sich wieder gut gehen.
Gefunden hatten sich die sechs bzw. acht Menschen durch die Arbeitsstellen, aber inzwischen war diese Freundschaft gewachsen und verband alle miteinander. Wie gesagt ich kannte sie schon, sie gehen immer durch dick und dünn. Da gibt es das wieder verheiratete Paar mit jetzt sechs Kindern als Patchwork Familie, er im Vollzeitjob und sie im Dreischichtsystem arbeitend. Die beiden anderen bilden eine Lebensgemeinschaft, er für den Job immer weit weg von zu Hause, sie ist dem Antonimperium zum Opfer gefallen und versucht sich mit den Maßnahmen der Arbeitsagentur eine neue Existenz aufzubauen. Glück gehabt, denn die bei Schlecker hatten auch nur dieses billige Futter im Angebot. Die erkrankte Familie behütet ihre noch kleinen Kinder, hätte aber sonst die Möglichkeit gehabt einen Tag auszuspannen, da die Großeltern so oft wie möglich zur Stelle sind. Eine langjährige Freundin hat mit ihrem Partner gefehlt, dass lag an der mangelhaften Organisation meines Frauchens und an den häuslichen Pflichten ihrerseits. Meine Herrschaften – ein Rentnerpaar hatten natürlich „alle Zeit der Welt“ und stellen sich auf solche Termine schnell ein.
Alle genossen den schönen sonnigen Abend, Menschen können sich ja unentwegt von einem zum anderen Thema in Gespräche vertiefen. Die Nacht brach herein und die Menschen traten den Heimweg an, der ebenso wie die Herfahrt durch den Fahrdienst erwachsene Kinder geregelt war. Alle bedankten sich bei meinem Frauchen für den entspannten Tag. Mein Frauchen räumte natürlich wie gewohnt alles an Ort und Stelle und meine Herrschaften schwatzten noch bis tief in der Nacht über diese Stunden, mit dem einvernehmlichen Resümee:
„War das doch ein schöner Tag“
P.S. Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. In unserem Haushalt bin ich der Dritte, ein inzwischen 86 Jahre alter Kater. Mein Frauchen erzählt zwar überall herum ich wäre erst achtzehn, aber wahrscheinlich können die Menschen nicht rechnen. Von Grund auf bin ich weiß mit großen schwarzen Flecken und einer schwarzen Hinterpfote. Mein eigentliches Markenzeichen ist das schwarze Dreieck auf der Nase. Meinen Namen verrate ich Euch erst später.
Mein Frauchen, beste Vertraute und sehr zuverlässiger Dosenöffner verabschiedet sich als
Eure Osola